Otto Jossen wurde am 16. Januar 1926 als ältestes von sechs Kindern des Gotthard und der Ida Lochmatter in Naters (Wallis) geboren. Später zog die Familie nach Brig, wo Otto die Primarschule besuchte und die Marianisten kennen lernte, welche dort unterrichteten. Sein Vater war in dieser Zeit Mitbesitzer einer Hammerschmiede und Otto half immer wieder aus. So erwarb er sich rasch Respekt als einer der kräftigsten seiner Klasse.
1939 kam er als Postulant ans Collège Sainte-Marie in Martinach und trat 1942 in Freiburg (Villa Beata) ins Noviziat ein unter Leitung von Pater Mattlé. Am 12. September 1943 legte er die ersten Gelübde ab.
Als Scholastiker besuchte er das Kollegium St-Michel in Freiburg. Die Kollegiumszeit beendete er 1948 in Sitten mit der Matura A und im Jahr darauf legte er am 15. August in Middes die ewigen Gelübde ab.
Während vier Jahren wirkte er sodann als Lehrer an der Ecole industrielle in Sitten.
Von 1952 – 57 folgte das Theologiestudium an der Universität Freiburg und zudem ein Handelskurs an der Ecole Benedikt, den er mit einem Diplom abschloss. Die Priesterweihe konnte er am 18. März 1956 durch Bischof Nestor Adam in der Wallfahrtskirche von Glis empfangen, wo er am 2. April auch seine Primizmesse feiern durfte.
Das Pastoraljahr führte ihn nach Paris und Bordeaux.
1957 wurde Pater Otto Lehrer am Collège Sainte-Marie in Martinach und für Religion am Lehrerseminar in Sitten. Von 1960 an unterrichtete er als Mitglied der Kommunität Sitten am Lehrerseminar und während drei Tagen pro Woche war er Seelsorger und Religionslehrer der Postulanten in St-Raphaël (Freiburg).
Ab 1965 wirkte er über 20 Jahre lang hauptamtlich am Seminar in Sitten. Er unterrichtete besonders Französisch und Religion, bei Bedarf aber auch andere Fächer wie Deutsch, Erdkunde, Medienkunde oder richtiges Benehmen. Pater Otto hatte einige spezielle Erziehungsmethoden. Wenn zum Beispiel ein Schüler nicht so salonfähig redete, beauftragte er ihn, zum Lavabo zu gehen und den Mund zu spülen.
Pater Otto war sehr interessiert an technischen Dingen und er versuchte immer wieder neue und motivierende Möglichkeiten des Unterrichtens einzusetzen. Als er Erdkunde unterrichtete, organisierte er ein Teleskop für Himmelsbeobachtungen; in der Medienkunde erstellten die Schüler Videofilme für den Unterricht und als Sprachlehrer baute er mit einer spezialisierten Firma ein Sprachlabor auf. 1967 hatte er in Freiburg eine Ausbildung für audiovisuellen Sprachunterricht besucht.
Während des Sommers erteilte er regelmässig Fortbildungskurse in Französisch für Lehrpersonen aus verschiedenen Kantonen der Deutschschweiz und während vieler Jahre besorgte er den Versand marianistischer und anderer religiöser Zeitschriften.
Eine der Gaben von Pater Otto war, über die momentane Situation hinaus zu sehen. So war er sich in den 60er-Jahren bewusst, dass es für zukünftige Lehrer sehr nützlich wäre, den Umgang mit Schreibmaschinen zu beherrschen. Das war im Lehrplan nicht vorgesehen und es gab kein solches Fach. Also beschaffte Pater Otto kurzerhand die nötigen Maschinen und gab allen Interessierten die Möglichkeit, sich in der Freizeit freiwillig das Maschinenschreiben anzueignen.
Ähnlich verhielt es sich mit Englisch, als es noch nicht im Lehrplan war: Pater Otto besorgte ebenfalls die Geräte und Lehrmittel, um allen Interessierten ein Selbststudium zu ermöglichen.
Nach der Schliessung des Lehrerseminars in Sitten wurde das Oberwalliser Seminar in Brig von 1987 – 1991 seine neue schulische Wirkungsstätte.
Zugleich wurde ihm das Amt des Direktors der neuen Briger Kommunität anvertraut, das er mit grossem Einsatz und viel Herz ausführte. Die Kommunität hatte für ihn immer Priorität. Er hielt keine Reden über Gemeinschaft, er lebte sie.
Während der Woche war die tägliche gemeinsame Eucharistiefeier ein Schwerpunkt des Gemeinschaftslebens, und je einen Sonntag pro Monat reservierte er für Versammlungen mit den Affiliierten (gemeinsam mit P. Urs Schenker), für Kommunitätsausflüge und andere Ordensanlässe.
Bereits während seiner Tätigkeit in Sitten und am Seminar in Brig hatte Pater Otto an Wochenenden und in den Ferien in der Seelsorge ausgeholfen. Nach der Pensionierung vom Schuldienst übernahm er ein Teilamt in der Seelsorge der Pfarrei Naters, besonders in den Bergsiedlungen.
Der Dienst für Gott und die Mitmenschen war ihm ein Herzensanliegen. Ob Sonntags- oder Werktagsmesse, Hochzeit, Taufe, Kommunion- oder Familienfeier, eine Messe an einem Festanlass oder für einige wenige Personen in einer kleinen Alpkapelle – er feierte jeden Gottesdienst mit grosser Freude und kein Einsatz war ihm zu viel. Es kam ihm zugute, dass er auch sehr naturverbunden war und sich gerne bewegte.
Vor allem nach seiner Pensionierung als Lehrer konnte er auch seine vielfältigen praktischen Begabungen einsetzen. Seine Kochkünste mit Römertopf waren legendär und er beherrschte die Timerfunktionen von Backofen und Kochherd perfekt. Er arbeitete gerne und erfolgreich im Garten,
installierte Küchen- und Sanitäranlagen im kleinen Chalet von Planchouet, reparierte Schäden in etlichen Kapellen seines Seelsorgegebietes und vieles mehr.
Im Januar 2012 wurde Pater Otto durch einen Hirnschlag aus seinem aktiven Leben gerissen. Mit grosser Willenskraft lernte er wieder zu sprechen und mit seiner halbseitigen Lähmung umzugehen.
Während rund 6 Jahren nutzte er in der Seniorenresidenz Sancta Maria Laptop, Tablet und E-Book-Reader um mit der Umwelt in Kontakt zu bleiben, das Brevier zu beten und eine Vielzahl von Büchern zu lesen. In einer Mail anlässlich des Todes von Pater Otto schrieb unser Generaloberer: « J’ai pu approcher un peu le P. Otto ces dernières années et ai toujours beaucoup admiré son courage et sa remarquable ouverture d’esprit. Il était, même depuis sa chambre au courant de quantité d’évênements et toujours très attentif à la vie de la Société de Marie. »
Pater Otto war sehr dankbar für alle Dienste von Familienangehörigen, befreundeten Personen und Mitbrüdern und er freute sich über Ausfahrten mit dem Rollstuhl oder mit dem Auto.
Auch in der Seniorenresidenz war er glücklich, wenn er noch seelsorgerische Dienste erbringen konnte. So übernahm er verschiedentlich die Eucharistiefeier, diente bis fast zuletzt als Beichtvater und stand auch manchen Sterbenden bei.

Wir Schweizer Marianisten bitten, im Gebet unseres lieben Mitbruders Otto Jossen, Priester, zu gedenken, der im Alter von 93 Jahren und nach 76 Jahren Ordensleben am 22. November in Naters gestorben ist.
Danke für alles, Pater Otto. Vergelt’s Gott.

